11/03/2025 0 Kommentare
Über die Kunst, die Trauer begleiten kann
Über die Kunst, die Trauer begleiten kann
# Aktuelles

Über die Kunst, die Trauer begleiten kann
Herr Eberhard, sie begleiten Kunstworkshops für Trauernde. Braucht es die Kunst, um zu trauern oder sich zu erinnern?
Der kreative Prozess kann die Trauer greifbarer machen, als es Worte allein vermögen. Es geht darum, mit Alltagsgegenständen oder auch Fotos, SMS-Nachrichten oder anderen Dingen, die mit dem verstorbenen Menschen verbunden sind, ein Kunstwerk zu erschaffen. Bei uns wird die Kunst zum Katalysator, und der eigentliche Wert des Werkes liegt im Auge und Herzen des Trauernden. Deshalb betonen wird immer wieder, dass es keines künstlerischen Talents bedarf, um mit Gewinn teilzunehmen – das ist uns wichtig.
Welche Gegenstände bringen die Menschen mit?
Das ist ganz unterschiedlich. Oft sind es persönliche Dinge wie die Brille, die Uhr, ein Ausweis oder Erinnerungsstücke wie beispielsweise ein Stein, das Lieblingsbuch, eine alte Musikkassette oder Briefe. Zwei bis drei Wochen vor unserem Workshop trifft sich die Gruppe zum ersten Mal, und da beginnt schon der innere Prozess: Welche Gegenstände kommen in Frage und werden als angemessen empfunden? Passt das Kunstwerk wohl in einen Rahmen oder wird es eher dreidimensional sein? Und wo zu Hause könnte es seinen Platz haben?
Wie sieht der Workshop konkret aus?
Der Künstler Pavel Radchenko begleitet die trauernden Menschen in ihrem kreativen Prozess, auch mit ganz konkreten handwerklichen Vorschlägen und Hilfestellungen. Alle Teilnehmer*innen haben einen eigenen Tisch mit ihren ausgesuchten Gegenständen und fünf Stunden Zeit und Raum für ihr Kunstwerk. Wir stellen Farben, Werkzeuge, Pinsel, Stifte und auch Naturmaterialien zur Verfügung.
Manchmal werden die mitgebrachten Gegenstände auch verändert oder gar zerstört: Denn es kann beispielsweise befreiend sein, eine Krankenakte zu schreddern und dadurch zu transformieren. Oder einen Teller bewusst zu zerschlagen und mit den Bruchstücken zu arbeiten.
Mitunter beginnt ein Prozess und das Kunstwerk entsteht erst später: Eine Frau brauchte den Workshop, um für die Beschriftung des Grabsteins ihres Mannes den ersten Schritt gehen zu können. Auch das ist ein wichtiger Prozess.
Ich stelle mir eine sehr dichte Arbeitsatmosphäre vor.
Es entsteht eine offene, annehmende Stimmung, und die Trauernden sind einander sehr zugewandt. Man schaut auch interessiert, was die Nachbarin oder der Nachbar machen, aber mischt sich nicht ein. Es ist im besten Sinne eine besondere Zeit, in der sich ein Fenster öffnet und nach den fünf Stunden oft auch wieder schließt. Meine Aufgabe ist es, das Setting zu gestalten, die Gefühle im Raum zu erspüren, auszusprechen und zu halten, so dass sich alle in dieser sehr intensiven Zeit sicher und getragen fühlen. Es gibt ausreichend Zeit zum Einstimmen, zum Austausch und zum Abschließen des Workshops. Zwischendrin essen wir auch gemeinsam zu Mittag und verlassen dafür bewusst den Arbeitsraum.
Solche Workshops finden zwei bis dreimal im Jahr statt. Was sagen die Teilnehmer*innen?
Viele hätten nicht erwartet, dass dieser Prozess so intensiv für sie sein wird: „Nur fünf Stunden in dieser Gruppe, und ich hätte nicht gedacht, dass es so viel mit mir macht“, sagte mir ein Teilnehmer. Oft ist die Erschöpfung groß, manche nehmen sich danach eine kleine Auszeit. Viele haben mit einem gewissen Abstand das Gefühl, auf ihrem ganz eigenen Trauerweg einen wesentlichen Schritt vorangekommen zu sein.
Hier finden Sie weitere Informationen zum Workshop.
So können Sie Detlef Eberhard kontaktieren.
Das Interview führte Cornelia Schwerin
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