Fünf Fragen an Superintendent Michael Raddatz

Fünf Fragen an Superintendent Michael Raddatz

Fünf Fragen an Superintendent Michael Raddatz

# Nachrichten

Fünf Fragen an Superintendent Michael Raddatz

Am 1. Juli 2016 beginnt Michael Raddatz seinen Dienst als Superintendent des KirchenkreisesTempelhof-Schöneberg. Die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen möchte
er als Kirche in der Stadt aufnehmen, Menschen in ihren Lebenssituationen begleiten und die Ausstrahlungskraft von Gemeinden in unsere Gesellschaft hinein fördern.

Zum Kirchenkreis gehört das Tempelhofer Feld mit zurzeit 1.400 Flüchtlingen, die in den Hangars leben. Was kann der Ev. Kirchenkreis hier tun?
In den zurückliegenden Monaten ist die Willkommenskultur für Flüchtlinge ein wesentlicher Motor ehrenamtlichen Engagements gewesen. Viele Menschen sind durch die Kirchengemeinden aktiviert worden und haben sich den Flüchtlingsnetzwerken angeschlossen.
Die Flüchtlinge als Neuberlinerinnen und Neuberliner zu unterstützen, sehe ich als eine ökumenische Aufgabe aller Christen an. Ich könnte mir im Bezirk auch eine umfassende Gemeinschaft aller Religionen vorstellen, die gemeinsam Flüchtlingen helfen.
Aber ehrenamtliches Engagement ist auch begrenzt. Wenn sich ehrenamtliche Begeisterung erschöpft, dann sind Unterstützungsstrukturen gefragt, die durch berufliche Mitarbeitende getragen werden. Das werden aus meiner Sicht vor allem organisatorische Aufgaben sein.

Bei Ihrer Einführung wird neben Jasmin El-Manhy, Alice von Podbielski-Stellpflug und Manuel Starck auch der Sozialwissenschaftler und Muslim Aydin Süer assistieren. Was verbindet Sie mit Herrn Süer?
Aydin Süer ist ein Freund und Wegbegleiter seit 15 Jahren. Wir beide wollen zeigen, dass die Suche nach Gott Menschen mehr verbindet als trennt. Das zeigen wir bei unserem jährlichen Werkstatt-Tag, aber auch in unserem gemeinsamen Koran-Bibellesekreis.
In den Tagen nach dem 11. September 2001, dem Anschlag auf das World Trade Center, habe ich mich mit meinem Konfirmandenteam entschlossen, mit christlichen und muslimischen Jugendlichen einen jährlichen Werkstatt-Tag abzuhalten. Diese Konfirmandentage sind ein Spiegel des jeweiligen Jahres geworden, denn die politische Großwetterlage konkretisierte sich in unseren Gesprächen. Die regelmäßigen Treffen führten dazu, dass Freundschaften entstanden, die nicht durch politische und religiöse Propaganda auseinanderzubringen sind. Mir ist über die Jahre deutlich geworden, dass diese Begegnungen an der Basis der Schlüssel zu einem friedlichen Miteinander sind.
Eine weitere Verbindung ist der mit unseren muslimischen Partnern betriebene Koran-Bibellesekreis. Hier vergleichen wir die Antworten der heiligen Texte auf Querschnittsthemen wie beispielsweise das Leiden in der Welt oder Gewalt in den Heiligen Texten.

Sie haben neben Ihrer Studienzeit in Berlin auch in Prag studiert. Warum?
Ursprünglich wollte ich die Geschichte der Prager „Ketzerbewegungen“ studieren. Aber dann kam die „samtene Revolution 1989“, wie die Tschechen sagen, die ganz Europe verändert hat. Für mich wurde das historische Erbe der tschechischen Kirchen in aktueller politischen Herausforderung lebendig. Aufgrund dieser Erfahrung habe ich mich entschlossen, ins Pfarramt zu gehen.
Aus dieser Zeit bewegt mich bis heute die Auseinandersetzung mit der atheistischen Umwelt. Christen in der Minderheit müssen sich gegenüber der Umwelt erklären. Auch das konfessionelle Profil muss für die nichtkirchliche Umwelt schlüssig sein. Das ist ein Prozess, der in unserem Land nicht selbstverständlich ist, weil die Kirchen nicht in der Minderheitenposition sind.

Welches Thema möchten Sie für die Ev. Kirche in nächster Zeit voranbringen?
Das ehrenamtliche Engagement möchte ich in allen Facetten unterstützen. Hier braucht es Hilfe und Beratung. Das drückt sich auch in der Wahl meiner beiden Assistenten Alice von Podbielski-Stellpflug und Manuel Starck bei meiner Einführung aus.
Auch Jasmin El-Manhy, die ebenfalls bei meiner Einführung assistiert, steht für ein wichtiges Thema: die theologische Ausbildung und die vielen anderen kirchlichen Berufe, die ich gerne stärken möchte.

Wie sieht für Sie Kirche in der Stadt und für die Menschen aus?
Unsere zukünftige Aufgabe ist es, mit den vielfältigen Lebenssituationen und Rhythmen der Menschen mitzugehen: in den Schulen, in den Krankenhäusern, in den Kindergärten und an Orten, die wir noch nicht im Blick haben und somit im besten Sinne Kirche in der Stadt zu sein.
Es gilt die Ausstrahlungskraft der Gemeinden zu fördern. Ich sehe das als einen Dienst an der Gesellschaft an, weil die Kirchengemeinden einer der wenigen Orte in unserem Land sind, die ein stabiles „Mehrgenerationenprojekt“ sind.

Dies könnte Sie auch interessieren

0
Feed