02/07/2024 0 Kommentare
Die Persönlichkeit und das Spiel
Die Persönlichkeit und das Spiel
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Die Persönlichkeit und das Spiel
Die kindliche Entwicklung selbst, aber auch bestimmtes Verhalten von Kindern, wird oftmals durch die individuelle Persönlichkeit begründet. Elterngespräche enthalten dann den Satz „sein Charakter begründet sein Handeln“. Viele Eltern verlagern problematische Bindungsverhältnisse und Verhaltensweisen auf die Persönlichkeit der Kinder selbst und können oftmals den Begriff Identität schlecht einordnen. Der folgende Blog nimmt sich den Anspruch, mittels der Persönlichkeitspsychologie, aufzuklären und die Frage zu beantworten: „Ist die Persönlichkeit als erblicher Festzustand anzuerkennen?“
Zuerst wagen wir uns an den Versuch den Begriff „Persönlichkeit“ zu fassen. Die Grundlage der Theorien, welche sich mit Persönlichkeitsentwicklung befassen, lieferte Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse. Weiterführend haben Jung und Adler Freuds Arbeiten aufgegriffen und überarbeitet. Das Wort „Persönlichkeit“ leitet sich von „persona“ ab, was im griechisch-römischen Theater eine Maske der SchauspielerInnen war. Die persona ist das Gesicht, welches dem Publikum gezeigt wurde. Im Lexikon der Biologie finden wir folgende Definition: „Persönlichkeit bezieht sich auf die einzigartigen psychologischen Merkmale eines Individuums, die eine Vielzahl von (offenen und verdeckten) charakteristischen sowie beständigen Verhaltensmuster in verschiedenen Situationen und zu verschiedenen Zeitpunkten beeinflussen“. Zentrale Konzepte sind also Einzigartigkeit und konsistentes Verhalten. Individuelle Konstellationen von Merkmalen und Eigenschaften bilden demnach die Persönlichkeit. Hier fallen immer wieder die Begriffe Temperament, Eigenschaften, Typ, Disposition, Charakter, Stimmung, Gewohnheit oder Konsistenz. Die Grundlage hierfür sind Persönlichkeitstypologien. Typologien dienen Menschen unbekannte Personen nach offensichtlichen und leicht fassbaren Merkmalen zu unterscheiden. KritikerInnen erkennen hier Stigmatisierungsprozesse und bevorzugen weniger starre Eigenschaftstheorien. Sie suchen nach fluiden Handlungstendenzen.
Ein Beispiel ist der Ansatz von Hans Eysenck. Seine Forschungen beschreiben drei (Basis-)Dimensionen, anhand derer sich grundlegende Eigenschaften ableiten lassen:
Extraversion (Inwieweit ist eine Person noch innen oder nach außen orientiert?)
Neurotizismus (Inwieweit ist eine Person emotional stabil?)
Psychotizismus (Inwieweit ist eine Person freundlich und rücksichtsvoll?)
Einige Untersuchungen ergeben, dass fast alle Persönlichkeitseigenschaften durch genetische Faktoren grundsätzlich beeinflusst werden. In Prozentzahlen schwanken Studien zwischen 20 bis 60 Prozent „Erbanteil“. Jung bezeichnet die Gesamtpersönlichkeit als Psyche, welche sich aus mehreren, völlig voneinander getrennten, aber interagierenden Systemen zusammensetzt. Nach ihm ist die Persönlichkeitsentwicklung ein dynamischer Prozess der Identitätsbildung. Verhalten ist dementsprechend unorganisiert und von situativen Faktoren abhängig. Veränderungen im Verhalten ergeben sich im Allgemeinen als Folge von sozialer Umwelteinwirkung. Hier liegt das Augenmerk auf die Interaktion mit anderen Menschen. Diese Sichtweise der Persönlichkeitsentwicklung empfinde ich irgendwie als sehr sympathisch. Sie verweist auf die Bedeutung der Umwelt, welche unseren Handlungsspielraum und dementsprechend unsere Verhaltensformen bestimmt. Wir erkennen einen Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Stellung und Teilhabe hin zur Persönlichkeitsentwicklung. Es entwickelt sich ein gesellschaftlicher Auftrag unseren Kindern gegenüber.
Der Lebensabschnitt Kindheit umfasst etwa das Alter vom vierten bis zum zwölften Lebensjahr. Außer im Spiel, als soziale Aktivität, sind es folgende Orte, an denen sich die Persönlichkeitsentwicklung vollzieht: Familie, Kindergarten, und Schule stehen im Zentrum. Wichtig ist, dass das Kind sein Selbstkonzept findet und seine sozialen Kompetenzen zeigt, trainiert und weiterentwickelt. H.Roth schreibt: „Unter Persönlichkeit verstehen wir die entfaltete Person, in ihr sind die potentiell angelegten Kräfte und Flächigkeiten des Menschen zur vollen Entfaltung gelangt. Diese Entfaltung vollzieht sich in einem Werdeprozess, in dem die benannten Systeme, d.h. alle Kräfte und Fähigkeiten des Menschen sich differenzieren und aufstufen“.
Die Art der Arbeit, des Umfeldes, des Spiels oder des Zuhauses hat also nicht nur Einfluss auf die Persönlichkeit und das Wohlbefinden, sondern auch auf kognitive Funktionen. Es finden, sozusagen im Übergang zur Altersrolle, mehrere Reifungsschritte statt. Schließlich ist die Überlegung bedeutsam, dass wie bei Kindern das Spiel, bei Erwachsenen die Arbeit bestimmte Verhaltensdispositionen und Kompetenzen ausbildet, welche dann auf den „privaten“ Bereich übertragen werden. Frei nach dem Motto „was du Spielst, bist du“ übertragen sich die Dispositionen der Identität aus dem Spiel heraus auf das Leben drum herum. Die Frage der Persönlichkeit ist für Kinder also eine Frage des Spiels. Der Alltag von Kindern ist durchzogen vom Spiel und dementsprechend wegweisend für deren Identitätsbildung. Vielleicht können Eltern so Wesenszüge von Kindern besser ableiten und verstehen lernen. Ich hoffe der gelesene Text konnte dabei behilflich sein.
Quellen:
Asendorpf, J.B.: Persönlichkeitspsychologie. 4. Auflage Berlin (Springer Verlag) 2018
Fisseni, H.J.: Persönlichkeitspsychologie. 5. Auflage Göttigen (Hogrefe) 2003
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