
29/09/2025 0 Kommentare
„Das gilt nach meiner Kenntnis unverzüglich!
„Das gilt nach meiner Kenntnis unverzüglich!
# kk_35_jahre_einheit

„Das gilt nach meiner Kenntnis unverzüglich!
Am Abend des 9. November 1989 absolvierte mein Mann sein Lauftraining auf den Wiesenwegen um Löwenbruch. In Radio und Fernsehen ging es um die neuen Reiseregelungen für DDR-Bürger. Auf das Ergebnis gespannt, sahen wir fast jede Nachrichtensendung.
Um 19.30 Uhr schaltete ich an diesem Tag den Fernseher ein und verfolgte die Pressekonferenz des Politbüros, in der Herr Schabowski verkündete, dass es Erleichterungen für DDR-Bürger geben würde. Wir sollten ohne Ausreiseantrag zu Besuchszwecken in die BRD reisen dürfen. Als folgte: „Das gilt nach meiner Kenntnis unverzüglich! Sofort!“ war ich total überrascht und habe das nicht ohne Weiteres geglaubt.
Als mein Mann vom Training nach Hause kam, berichtete ich, was ich gehört und gesehen hatte. Natürlich glaubte er das nicht und sagte nur: „Erstmal abwarten“! Ich nahm mir vor, am 10. November 1989 - das war ein Freitag - in Ludwigsfelde die Volkspolizei-Meldestelle aufzusuchen. Menschenmassen, Gedränge, stundenlang kein Vorwärtskommen. Unverrichteter Dinge musste ich gehen, weil nachmittags mein Dienst in der Apotheke begann.
Am Abend dieses Tages machten wir uns mit beiden Töchtern (8 und 10 Jahre) in unserem Wartburg Richtung Westberlin auf. Am Grenzübergang Staaken wurden wir nicht kontrolliert sondern begeistert durchgewunken. Unsere Spandauer Verwandten trafen wir jedoch nicht an. Wir erfuhren, dass sie zu einer Kur nach Westdeutschland aufgebrochen waren. Als nächstes wollten wir eine alte Freundin meiner Mutter besuchen. Wir hatten nur ihre Telefonnummer. Von einer Telefonzelle konnten wir bei ihr anrufen. Da wir null Ahnung vom Westberliner Stadtplan hatten, holte sie uns dort ab. Wir folgten ihr mit unserem Wartburg.
Ihre Wohnung fanden wir sehr schön, aber unser erster negativer Eindruck war: sie war sehr kalt. Unsere Bekannte sparte Energie und somit Heizkosten. Wir behielten unsere Jacken an und erzählten trotz der Kälte fast bis Mitternacht. Dann brachen wir in Richtung Dreilinden auf. Es waren sehr viele Fahrzeuge unterwegs. Sie überholten uns rechts und links, winkten, hupten.
Ein Autofahrer zwang uns anzuhalten und forderte uns auf, mit ihm in einer Kneipe die Grenzöffnung zu feiern. Wir mussten leider ablehnen, denn unsere schulpflichtigen Kinder hatten damals noch am Sonnabend Unterricht.
Für uns alle begann eine euphorische, spannende und ereignisreiche Zeit. Heute fragt man sich: Was ist von der anfänglichen Euphorie, den Träumen und Hoffnungen übrig geblieben? West und Ost sind 35 Jahre nach der Vereinigung immer noch nicht richtig zusammengewachsen. Leider! Familie Mehlis
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