Frag die Trauerbegleiterin!

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Frag die Trauerbegleiterin!

Richtig trauern – gibt es das überhaupt? Ein Interview mit Trauerbegleiterin Anna Ziegenhagen. 

Anna, Du begleitest junge Menschen, die den Tod eines Menschen verarbeiten. Welche Erfahrungen machst Du? Ich erlebe bei jungen Menschen in dem Verlust ein großes Bedürfnis, sich mit ihren Emotionen zu beschäftigen. Sie suchen Räume für ihre Trauer, gerade weil ihr Leben voller Aufgaben steckt und sie eine Ausbildung oder ein Studium beenden. Manche sorgen auch schon für die eigene Familie. In diesem Verlust suchen sie einen bewussten Umgang mit der eigenen Trauer und haben ein viel offenes und entspanntes Verhältnis zu professioneller Beratung als andere Altersgruppen.

Wie stark ist der Druck, zu trauern?
Die Jüngeren fragen sich oft, ob sie richtig trauern oder ihrer Trauer genügend Raum im Alltag geben. Das macht Druck. Aber wir können nicht die ganze Zeit in diesem Schmerz leben, das hält niemand aus. Bei Kindern kann man das gut beobachten: Kinder trauern pfützenweise – sie springen rein, sind traurig oder wütend. Dann springen sie wieder raus, spielen fröhlich, lenken sich ab. Daran sieht man, wie Trauer funktionieren kann. Auch Momente, in denen die Gefühle in den Hintergrund treten, gehören zum Trauerprozess. 

Wie verhalte ich mich gegenüber Trauernden richtig? 
Es kommt auf die innere Haltung, nicht unbedingt auf jedes Wort an. Will ich die Verantwortung übernehmen für den Kontakt, kann ich nicht sagen: „Du kannst Dich immer bei mir melden.“ Es geht darum, dass ich den ersten Schritt mache. Wenn man unsicher ist, ist es besser, dass man das sagt.   Vielen Trauernden hören oft vertröstende Worte. Oder sie werden gewertet: „Was, du trauerst immer noch?“ ist so ein klassischer Satz. Das hilft gar nicht.   

Was ist für Dich die wichtigste Erfahrung als Trauerbegleiterin? 
Dass wir Menschen die Fähigkeit in uns tragen, mit Verlusten leben zu lernen. Trauer ist nichts, was „wegtherapiert“ werden muss – sie ist eine gesunde Reaktion, die uns hilft, das Unfassbare nach und nach in unser Leben zu integrieren.  Es beeindruckt mich immer wieder, wie Menschen – bei aller Tiefe des Schmerzes – an einen Punkt kommen können, an dem das Leben wieder lebenswert ist. Nicht wie früher, aber auf eine neue, tragfähige Weise. Zu sehen, dass das möglich ist, berührt mich jedes Mal.

Was unterscheidet die Trauer um einen Verstorbenen eigentlich vom Liebeskummer?
Trauer ist eine natürliche, gesunde Reaktion auf Verlust. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, wodurch dieser Verlust entsteht – ob durch den Tod eines geliebten Menschen, eine Trennung, den Abschied von der Heimat oder das Ende einer Lebensphase. Gemeinsam ist all diesen Erfahrungen: Etwas Bedeutungsvolles ist nicht mehr da.  Und doch gibt es Unterschiede – besonders zwischen dem Tod und einer Trennung:

Der Tod ist eindeutig und unumkehrbar. Bei einer Trennung bleibt oft die Möglichkeit einer Rückkehr oder der Kontakt im Alltag bestehen. Diese Unsicherheit erschwert das Begreifen und Akzeptieren des Verlusts – der Abschied bleibt emotional offen. In der Trauer um Verstorbene steht das Bewahren der inneren Beziehung im Vordergrund – durch Erinnerungen, Rituale oder innere Gespräche. Beim Liebeskummer ist der Kontaktabbruch ist meist vom Gegenüber gewollt, oft konfliktbelastet und mit Zurückweisung verbunden. Eine innere Verbindung aufrechtzuerhalten, kann dadurch schmerzhaft oder widersprüchlich sein. 

Zur Person:  Anna Ziegenhagen studierte Gemeindepädagogik und Religionspädagogik und arbeitet als ausgebildete Trauerbegleiterin im Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg. Sie hat den Podcast "Trauerei" mit entwickelt, in dem Trauernde über die eigenen Erfahrungen mit Verlust und Tod sprechen. 
Wichtige Adressen und Informationen für Trauernde
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