Lebensmelodien in Prag

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Lebensmelodien in Prag

Die Lebensmelodien setzen ihre Reise gegen das Vergessen fort: Am 19. Mai ist das Projekt des Ev. Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg in der deutschen Botschaft in Prag aufgetreten. Zu dem sehr emotionalen Konzert kamen 50 Überlebende der Shoah. Sie alle wurden damals von den Nazis im nahegelegenen Lager Theresienstadt inhaftiert. 

Manuela Schneider von der EKBO - Evangelisch im Osten hat dazu mit Nur Ben Shalom, dem künstlerischen Leiter und Mit-Initiator der Lebensmelodien, gesprochen.

Manuela Schneider: Nur, du hast heute Lieder gespielt, die einst im Angesicht des Grauens komponiert wurden. Was bedeutet es dir persönlich, diese Musik ausgerechnet hier in Prag, so nah an Theresienstadt zu spielen?

Nur Ben Shalom: Es bewegt mich zutiefst. Die Nähe zu Theresienstadt hier, in der Deutschen Botschaft und unseren Partnern in Prag ist nicht nur geografisch, sondern auch emotional. Diese Lieder hier für sie und mit ihnen zu spielen, heißt: Die Stimmen derer zurückbringen, die zum Schweigen gebracht wurden. Ihre Stimmen in die Gegenwart holen an einen Ort, an dem viele ihrer Geschichten begannen und nicht weitergingen, sondern einfach endeten. Dieses Wissen bringt auch eine besondere künstlerische Verantwortung mit sich.

Manuela Schneider: Manche der Melodien wurden in Lagern wie Theresienstadt geschrieben was spürst du, wenn du diese Stimmen heute wieder zum Klingen bringst?

Nur Ben Shalom: Wir führen einen Dialog über die Zeit hinweg. Diese Musik trägt Hoffnung, Trost, Angst und Menschlichkeit in sich. Wenn wir sie spielen, spüre ich eine tiefe Verbindung als würde ich einer Erinnerung helfen, ein und auszuatmen Es geht nicht nur ums Interpretieren es geht ums Zuhören. Ich bin dankbar, dass wir mit unserem Ensemble diesen Stimmen wieder Klang verleihen können.

Manuela Schneider: Es waren Überlebende heute hier was möchtest du ihnen nach diesem Abend gern sagen?

Nur Ben Shalom: Es hat mich tief berührt, dass so viele Überlebende und Angehörige beim Konzert waren. Ich glaube, die Musik spricht für sich aber ich würde hinzufügen: Danke. Für eure Stärke, eure Geschichten, eure Musik. Ich hoffe, dass wir mit diesem Projekt einen Raum geschaffen haben, in dem eure Erfahrungen nicht verloren gehen, sondern weiterklingen. Eure Stimmen leben weiter und wir hören zu und reagieren darauf.

Manuela Schneider: Die „Lebensmelodien" verbinden jüdische Geschichte mit heutiger Erinnerungskultur - was kann Musik leisten, was Worte oft nicht können?

Nur Ben Shalom: Musik erreicht Herz und Erinnerung auf direktem Weg. Sie spricht, wenn Worte versagen. Musik kann gleichzeitig Wunden berühren und Trost spenden. Sie schafft Verbindung über Generationen und Kulturen hinweg hin zu einer hoffnungsvolleren Zukunft.

Manuela Schneider: Was nimmst du selbst von so einem Abend mit auch im Blick auf aktuelle Formen von Antisemitismus und das Erinnern heute?

Nur Ben Shalom: Ich nehme mit wie dringend Erinnerung heute ist. Antisemitismus ist wieder sichtbar. „Lebensmelodien" will dem entgegentreten mit Musik, Konzerten und Bildungsprogrammen an Schulen. Nach so einem Abend habe ich Hoffnung, dass Menschen weiter zuhören. Und dass Kunst eine Brücke schlagen kann zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Schmerz und Verantwortung für unsere Zukunft.

Fotos: Manuela Schneider 

Lesen Sie auch den Artikel im Tagesspiegel zu dem Konzert in Prag.

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