Apostel Paulus: Erste Großkirche Berlins wird klimaneutral

Apostel Paulus: Erste Großkirche Berlins wird klimaneutral

Apostel Paulus: Erste Großkirche Berlins wird klimaneutral

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Apostel Paulus: Erste Großkirche Berlins wird klimaneutral

Ein Weihnachtsgeschenk besonderer Art: Die Apostel-Paulus-Kirche ist die zweitgrößte Kirche Berlins und wird in Zukunft mit Biogas beheizt. Über zündende Ideen und klimaneutrales Handeln unter dem Dach von Kirchen ein Interview mit Superintendent Michael Raddatz und Pfarrerin Martina Steffen-Elis.

In der Schöneberger Apostel-Paulus-Kirche entsteht im Keller, unter dem Altar, ein Blockheizkraftwerk. Wie schaut das genau aus?

RADDATZ: Das Blockheizkraft ist ein kleiner Block,circa 1,30 Meter lang, 80 Zentimeter breit und 1,30 Meter hoch. Das Kraft-Wärme-Kopplungssystem, arbeitet, kurz gesagt, wie ein Automotor, nur dass die viele Abwärme zum Heizen genutzt wird. Den Großteil des Jahres heizt das Kraftwerk allein. Wird es richtig klirrend kalt, hilft die bisher genutzte Gasheizung, die noch nicht alt ist, mit.

Zukünftig heizen wir mit aus Reststoffen gewonnenem Biogas. Je nach Wetterlage nutzen wir das neue Blockheizkraftwerk und zusätzlich das bisherige Gasthermensystem, um diese riesige Gewölbekirche warm zu bekommen.  

Warum ist die Entscheidung für ein Blockheizkraftwerk gefallen, wie funktioniert es?

RADDATZ: Die Frage liegt auf der Hand, denn es gibt momentan unterschiedliche Wege, durch Strom oder Gas Wärme zu erzeugen. Wir arbeiten ja zusammen mit der GASAG Solution zusammen, der Innovationsabteilung der GASAG, die unterschiedliche, nachhaltige Wärmelösungen entwickeln und prüfen.

Das Blockheizkraftwerk war das einzige Angebot, bei dem wir in oder an der Kirche baulich nichts ändern müssen. Bei anderen Heizungstypen wie Wärmepumpen oder Solarpanels hätten wir umfänglich unter den Augen des Denkmalschutzes umbauen müssen. So aber stimmt das Verhältnis von Aufwand und Nutzen, denn das hier angewandte Prinzip ist die Kraft-Wärme Kopplung. So fiel die Entscheidung: das Blockheizkraftwerk passt technisch sehr gut zu dieser Kirche.

STEFFEN-ELIS: Das Blockheizkraftwerk wird in den Heizungskeller eingebaut, wo auch die bisherige Gastherme steht. Im Kirchraum verändert sich nichts, aber im Heizungskeller haben wir eine zusätzliche Feuerschutztür eingebaut und wir lassen den Elektro Hauptverteilung erneuern. Da der neue Anschluss durch den umliegenden öffentlichen Paulusgarten verlegt wurde, war es auch das Startsignal an unsere Nachbar*innen: Die Apostel-Paulus-Gemeinde macht Ernst und die Kirche wird klimaneutral. Der Zeitplan stimmt, Mitte November kommt das Blockheizkraftwerk.

Wie hoch sind die Investitionskosten und wer bezahlt sie?

RADDATZ: Die Stiftung Denkmalschutz bezahlt auf zehn Jahre die Wartung und Anschaffung des Heizkraftwerkes. Zusätzlich erhält die Gemeinde von der Stiftung jährlich 20.000 Euro für den laufenden Betrieb, denn Biogas kostet mehr als klassisches Gas. Die bereits erwähnten Umbauten bezahlt die Gemeinde.

Neuland für die Ev. Kirche sind Contracting-Verträge. So ein Vertrag ist die Basis für das Kraftwerk. Welche Leistungen bietet dieser und wozu verpflichtet er die Gemeinde?

RADDATZ: Im Grunde schließen wir einen Vertrag darüber, dass die Kirche auf 16 Grad beheizt wird. Anders als bisher kümmern wir uns nicht mehr um die Wartung der neuen und der alten Anlage. Das wird durch diesen Vertrag gewährleistet. Dazu mussten wir den Zugang zu den Anlagen ermöglichen, was wir auch notariell wie eine Art „Wegerecht“ festgeschrieben haben.

STEFFEN-ELIS: Wir haben ja wenig Personal in unseren Kirchengemeinden und probieren mit diesem auf zehn Jahre gebundenen Contracting-Vertrag aus, ob das ein Zukunftsmodell ist. Beispielsweise kann ich mir Contracting-Verträge auch für andere Bereiche wie Baumaßnahmen vorstellen. Da sind wir in gewisser Weise auch Modellregion und probieren etwas für alle Gemeinden in der Landeskirche aus.

STEFFEN-ELIS: Wir haben ja alles sehr genau geprüft und für die Apostel-Paulus Kirche ist das momentan der einzig gangbare Weg. Sie ist die zweitgrößte Kirche Berlins und wird täglich auf 16 Grad geheizt. Da sind wir bei den Kirchen mittlerweile eher die Ausnahme. Und das bringt auch Vorteile mit sich. So greifen Konzertveranstalter noch viel mehr auf unsere Kirche zurück, weil ihre bisherigen Kirchen als Konzertorte im Winter ausfallen.

Die Kirche liegt mitten im Schöneberger Akazienkiez, wo auch obdachlose Menschen rund um die Kirche den Tag verbringen. Welche Auswirkungen hat das?

STEFFEN-ELIS: Das hat viele Auswirkungen, vor allem auch in der kalten Jahreszeit. Wir sind ein Teil von #Wärmewinter, der diakonischen Hilfen von Berlin. Zu uns kommen in den Wintermonaten auch Menschen mit geringem Einkommen, die zu Hause aus finanziellen Gründen ohne Heizung leben. Das betrifft schon lange nicht nur Obdachlose. Auch das war für die Stiftung Denkmalschutz ein gutes Argument, uns zu fördern, damit Menschen in dieser Kirche weiter einen warmen Ort finden, den sie zuhause nicht mehr haben oder weil sie kein Zuhause haben.

Das Projekt ist durch die Zusammenarbeit mit dem EUREF Campus entstanden. Wann und wie zündete die Idee, eine so große Kirche sei als ein klimaneutrales Gebäude ein passender Ort? 

RADDATZ:  Wir haben vor drei Jahren mit dem Pfarrkonvent das bei uns im Bezirk liegende Innovationszentrum EUREF besucht und erlebt, wie es die Klimaziele seiner Gebäude mit den 5.000 Mitarbeiter*innen ohne staatliche Förderung erfüllt. Das war schon sehr eindrucksvoll. So kam unser Wunsch, die Kirche klimaneutral zu heizen mit dem Wunsch des Innovationszentrums zusammen, ein großes Gebäude klimaneutral auszustatten.       

STEFFEN-ELIS: Innerkirchlich sind die Richtlinien im kirchlichen Klimagesetz noch mal strenger. Denn das Klimagesetz sieht diesen Heizungstyp bisher nicht vor. So ist leider noch nicht geklärt, ob wir in Zukunft von der Klimaschutzabgabe befreit sind. Für die Apostel-Paulus-Kirchengemeinde waren das im vergangenen Jahr allein 9082 Euro, die wir als C02 Kompensation gezahlt haben. 

Viel zu große Kirchen, deren Heizkosten von den Gemeinden gar nicht mehr bezahlt werden können, gibt es überall. Manche Gemeinden prüfen nun, ob beheizte Kirchenbänke ein Ausweg sind. Was sagen Sie?

STEFFEN-ELIS: Beheizte Kirchenbänke sind für die Apostel-Paulus-Kirche ungeeignet. Seit der  Coronazeit halten wir die Kirche sieben Tage die Woche offen. Neben vielen Konzerten und Veranstaltungen haben wir die soziale Beratung durch das Berliner Arbeitslosenzentrum in unseren Kirchraum geholt. Auf diese Weise ist die Kirche noch viel mehr zum Zentrum geworden und die Menschen im Kiez kommen außerhalb des Gottesdienstes hierher. Gleichzeitig haben wir auch nach dem offiziellen Taufjahr noch viele Nachfragen nach den klassischen Amtshandlungen. Hier geschieht täglich so viel mehr als nur der wöchentliche Gottesdienst. 

RADDATZ: Es gibt verschiedene Heizungstypen und ein Pilotprojekt in Charlottenburg-Wilmersdorf probiert zusammen mit der Technischen Universität Berlin in der Lindenkirche Bankheizungen aus. Bei dieser Kirche handelt es sich aber im Wesentlichen um eine rein gottesdienstliche Nutzung. Geklärt werden soll auch die Frage, ob Bankheizungen Nässe und Schimmel im Raum befördern.  

Ich erhoffe mir, dass wir mit den unterschiedlichen Heizungstypen nicht in Konkurrenz gehen, sondern den jeweiligen Bedarf der Kirchen ermitteln. Mit der Apostel-Paulus-Kirche sind wir für die gesamte Landeskirche zu einem „Pilotprojekt“ für richtig große Kirchen geworden.

Das Interview führte Cornelia Schwerin

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