02/07/2024 0 Kommentare
Wie leben Flüchtlinge in den Hangars am Tempelhofer Feld?
Wie leben Flüchtlinge in den Hangars am Tempelhofer Feld?
# Aktuelles
Wie leben Flüchtlinge in den Hangars am Tempelhofer Feld?
Wie geht es den 1.400 Flüchtlingen in den Hangars? Ist die Unterbringung menschenwürdig, haben sie Perspektiven? Claudia Eichhorst und Mounaim Katir, unsere Flüchtlingsbeauftragten, waren vor Ort. Hier ihr Bericht.
Ende April hatten wir von der Flüchtlingsarbeit der Kirchenkreise Neukölln und Tempelhof-Schöneberg die Möglichkeit, uns dem Migrationsbeirat bei einer Führung durch die Notunterkunft am Tempelhofer Feld anzuschließen und uns über die Bedingungen der geflüchteten Menschen zu informieren. Vor Ort berichtete eine Mitarbeiterin des Betreibers Tamaja Soziale Dienstleistungen GmbH über Herausforderungen, Weiterentwicklungen und Verbesserungen der letzten Monate. Sie führte unsere Gruppe durch ausgewählte Bereiche des Gebäudes und beantwortete viele Fragen.
Wie sieht es aus im Hangar?
Zurzeit sind etwa 1.400 Menschen in der Unterkunft untergebracht, verteilt auf mehrere Hangars. Einen Schlafplatz gibt es insgesamt zurzeit für 2.300 Menschen. In den Hangars stehen Kabinen mit je sechs Doppelstockbetten. Zwölf Personen können in den 25 Quadratmeter großen Kabinen untergebracht werden. Jeweils zwei Kabinen, also bei Vollbelegung 24 Personen, teilen sich ein Bad, das mit einer Dusche, einer Toilette und einem Waschbecken ausgestattet ist. Zu jedem Hangar mit etwa 500 Bewohnerinnen und Bewohnern gehört ein Sozialarbeiterbüro mit sechs Sozialarbeiter*innen sowie sechs Sozialbetreuer*innen. Es gibt insgesamt drei hauptamtlich betreute Kinderräume. Für medizinische Notfälle sind Mitarbeitende der Johanniter Tag und Nacht vor Ort. Für den Notfall stehen auch spezielle Quarantänezelte zur Verfügung.
Erste Perspektiven
Die Vergabe von Schulplätzen verläuft gut. Zurzeit besuchen alle Kinder die umliegenden Schulen. Für die vielen Jugendlichen in der Unterkunft sieht es leider weniger gut aus. Es gibt nicht ausreichend Plätze an Oberstufenzentren, so dass die Vermittlung viel Zeit in Anspruch nimmt und viele bisher noch keinen Schulplatz haben. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
In den letzten Monaten ist es gelungen, viele Familien, Frauen und ältere Menschen in andere Unterkünfte mit besseren Standards zu verlegen. Dadurch gibt es in der Unterkunft vor allem junge Männer, die von Beginn an hier untergebracht sind. Diese jungen Männer fühlen sich zum Teil benachteiligt, da Familien bevorzugt verlegt werden.
Mittlerweile sind alle Hangars mit Internetzugang ausgestattet. Auch viele Ehrenamtliche engagieren sich. Hier ist vor allem das große Angebot an Deutschkursen von „GermanNow“ zu nennen. Viele freiwillige Helferinnen und Helfer sorgen dafür, dass der Deutschunterricht vor Ort von allen Geflüchteten täglich besucht werden kann. Wer sich hier ehrenamtlich engagieren möchte, kann sich unter http://germannow.de/mitmachen/ melden.
Der in den Hangars engagierte Verein „THFwelcome“ bietet eine Plattform für Ideen, Projekte und Raum für Austausch und Begegnungen. „THFwelcome“ hat ein Café mit Eingang außerhalb der Hangars eingerichtet, welches in den nächsten Wochen eröffnet wird. Es ist als Ort der Begegnung gedacht, an dem Geflüchtete, ehrenamtlich Engagierte und interessierte Berlinerinnen und Berliner zusammen kommen können. Auch hier sind weitere Freiwillige willkommen, mitzuwirken.
Die Zukunft der Notunterkunft Tempelhofer Feld
In den letzten Monaten gab es erhebliche Diskussionen über die Pläne des Senats, die Unterkunft auf bis zu 7.000 Plätze zu erweitern. Damit temporäre Bauten wie zum Beispiel Traglufthallen und Container auch außerhalb des erlaubten Bereichs errichtet werden konnten, wurde sogar das Tempelhof-Gesetz, das keine Bebauung des Feldes erlaubt, geändert. Bis heute ist unklar, ob so viele Geflüchtete jemals in der Unterkunft leben werden.
Jetzt gibt es ein neues Vorhaben: Anfang Mai berichtete der rbb mit Bezug auf Sozialsenator Czaja, dass die Registrierung neu ankommender Flüchtlinge bald nicht mehr in der Moabiter Kruppstraße stattfinden soll, sondern in Hangar 5, im früheren Flughafen Tempelhof. Dieser Hangar wird derzeit zu einem Ankunftszentrum
umgebaut. Dazu sollen Bürocontainer und eine „Bear-
beitungsstraße“ aufgestellt werden, um unter anderem Personalien festzustellen. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sollen vor Ort eingesetzt werden, so die bisherige Planung. Damit will man die Registrierung der Geflüchteten beschleunigen und wochenlanges Warten vermeiden. Geplant ist, das Ankunftszentrum in Hangar 5 im Sommer in Betrieb zu nehmen.
In Zukunft werden Hangar 6 und 7 ebenfalls neu ge- nutzt. Laut Sozialsenator Czaja sollen diese beiden Hangars in sogenannte Transitbereiche, also „Transitzonen“ mit Schlafplätzen, umgewandelt werden. Hier sollen neu angekommene Flüchtlinge für maximal drei Tage bleiben, bevor sie andere Unterkünfte beziehen können.
Auch die Hallen auf dem Vorfeld sollen so schnell wie möglich für die Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung stehen. Der Bedarf an Sport- und Beschäftigungsangeboten ist groß. Demnächst sollen auch ein „Willkommen-in-Arbeit-Büro“ und „Fit-für-die-Schule-Container“ für die Bewohnerinnen und Bewohner der Notunterkunft eröffnen.
CLAUDIA EICHHORST, MOUNAIM KATIR, Beauftragte für Flüchtlingsarbeit in den Kirchenkreisen Tempelhof-Schöneberg und Neukölln
Foto: Gieri / fotolia.com
Kommentare